Motivation+Aktion: 02 — CHRISTOPH DEUTSCHMANN: PIKETTY UND DIE ZUKUNFT DES KAPITALISMUS
Zu Beginn seines Textes geht Christoph Deutschmann auf die Ergebnisse aus Pikettys Studien zur momentanen kapitalistischen Gesellschaft ein. Hier geht es vor allem darum, welche Schlüsse sich aus der Analyse Pikettys für unsere momentane Gesellschaftsform ziehen lassen und welche Ansatzpunkte zu Aktionen sich herleiten lassen.
»Die sozialen Krisen der Gegenwart, vom Abbau des Sozialstaats und Rückgang der realen Masseneinkommen bis hin zur privaten und öffentlichen Armut, gehen direkt oder indirekt auf diese durch die Vermögensbesitzer betriebene Umverteilung zurück. Die Probleme wurden verschärft durch eine beträchtlich gestiegene Ungleichheit der Arbeitseinkommen, vor allem in den USA, aber auch in Europa«.
Die eigentliche Brisanz aus Pikettys Diagnose ergibt sich allerdings nicht nur in der Analyse der IST-Situation, sondern aus seiner Analyse der zukünftigen Entwicklungsperspektiven. Seiner Ansicht nach besteht nämlich wenig Hoffnung darauf, dass der Trend zu einem überproportionalen Wachstum der Vermögen und Vermögenseinkommen gestoppt oder gar umgekehrt werden könnte, im Gegenteil: Alles spricht dafür, dass er sich verstärkt fortsetzen wird.
Im anschließenden Teil – der Schlussüberlegung Deutschmanns – geht es um die Frage, inwieweit sich soziale Folgen aus Pikettys wirtschaftlicher Analyse ableiten lassen und welches Potential sich für Gegenaktionen innerhalb der Gesellschaft herausarbeiten lässt.
Dass die Rettung der Banken und die Aktivitäten der Regierungen in den Zeiten der Krisen 2008/2009 das Problem nicht beseitigen konnten, sondern sogar forciert haben, ist keine utopische Überlegung, sondern nur Ergebnis einer genauen Analyse der Wirtschaftssituation nach der Finanzkrise.
»Heute besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Deregulierung der Finanzmärkte und die durch sie geförderte spekulative Aufblähung der Finanzvermögen die Krise wesentlich verschärft hat. Die Krise ist jedoch noch nicht zu Ende. Angesichts der Dimensionen des drohenden Zusammenbruchs sahen sich die Regierungen und Notenbanken genötigt, mit umfangreichen ›Rettungspaketen‹ und einer drastischen Lockerung der Geldpolitik zu intervenieren. Damit konnte der unmittelbare Kollaps zwar abgewendet werden. Aber der Preis der Rettungsmaßnahmen bestand in einer künstlichen Stabilisierung der Vermögensblase und einer drastischen Steigerung der öffentlichen Verschuldung. Die Rettungspolitik suspendiert die Korrektur der Vermögenswerte durch den Markt und erhält den beschriebenen Circulus vitiosus der Vermögensvermehrung weiter am Leben.
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Umso dringlicher wird die Frage nach möglichen politischen Auswegen aus dem Circulus vitiosus. Wenn eine marktmäßige Bereinigung des Überhangs an exzessiven, faktisch nicht einlösbaren Vermögensforderungen nicht mehr gangbar ist – und dafür spricht alles–, so gibt es kaum eine andere Option als die von Piketty empfohlene: die politische Korrektur des Ungleichgewichts durch eine möglichst weltweit progressive Vermögenssteuer.
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Sie wäre ein demokratisch konsensfähiger Weg zur Entschuldung von Staaten, Unternehmen und Privathaushalten, und sie würde das wirtschaftliche Wachstum keineswegs negativ, sondern eher positiv beeinflussen, auch wenn Wunderwirkungen hier sicherlich nicht zu erwarten sind.
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Die Diskussion über eine Wirtschaft und eine Gesellschaft, die die materiellen und zivilisatorischen Errungenschaften des Kapitalismus wahren kann, aber nicht mehr wachsen muss, steht auch nach Piketty erst am Anfang«.
Piketty sieht sich, nach der Beurteilung Deutschmanns als politischer Ökonom und macht »aus seiner Leidenschaft für eine öffentlich engagierte »politische Ökonomie«, die sich mit konkreten gesellschaftlichen Problemen und Konflikten auseinandersetzt und zu ihnen Stellung nimmt, keinen Hehl«.
Impulsfragen:
Was ist »politisches Design«?
Wo finden wir heute »politisches Design«, das sich mit konkreten Problemen in der Gesellschaft auseinandersetzt? Was könnten wir aus der Analyse der Wirtschaftskrise und ihrer gesellschaftlichen Auswirkung denn für unseren Arbeitsalltag lernen? Müssen wir uns als Gestalter in der Gesellschaft positionieren? Welche gesellschaftlichen Tendenzen sind für uns als »politische Designer« momentan thematisch relevant?
Motivation+Aktion ist die Bachelor-Arbeit von Michael Schmitz. In der Arbeit wird versucht Möglichkeiten der politischen Bedeutung des Designs auf theoretischer und praktischer Ebene zu erläutern und aufzuzeigen.